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Fakultät Sozialwissenschaften

Arbeit und Organisation im sozio-digitalen Wandel

Die Strukturen und Bedingungen der Erwerbsarbeit beeinflussen die Lebensqualität der meisten Menschen. Aktuelle gesellschaftsstrukturelle Entwicklungen (z.B. Klimawandel, Corona-Krise) und die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung verändern die Lebens- und Arbeitswelten in großer Geschwindigkeit. Den arbeitenden Menschen sowie den Vertreter:innen aus Politik, Wissenschaft, Gewerkschaften und Unternehmen stellen sich in diesem Zusammenhang viele neue Fragen: Wie werden wir künftig arbeiten? Wie wollen wir arbeiten? Wo entfällt Arbeit, wo entsteht neue Arbeit? Wie lassen sich Ansprüche der Menschen mit den Erfordernissen der modernen Arbeit in Einklang bringen? Wie können digitale Technologien die Vorstellungen guter Arbeit unterstützen?

Bei der Arbeit der Zukunft handelt es sich um ein interessenabhängiges und umkämpftes Terrain, das komplexe Aushandlungsprozesse, neue Beteiligungsformen und angepasste Regulierungsmuster verlangt. Vielfältige Anpassungserfordernisse an veränderte Bedingungen erfordern von den Betrieben und Unternehmen innovative Lösungen (Vernetzung, autonome Systeme, neue Geschäftsmodelle, soziodemographischer Wandel etc.) und Innovationen in der Arbeitsorganisation, der Qualifizierung oder der Interaktion betrieblicher Akteure.

Im Rahmen unserer Forschungsarbeiten untersuchen wir diese Entwicklungen von Arbeit und ihre Organisation auf betrieblicher und unternehmensübergreifender Ebene.

Ziel unserer Forschungs­arbeiten ist es, zum einen reale Entwicklungsprozesse und mögliche Entwicklungspfade em­pi­risch zu erfassen und die Befunde in öf­fent­lichen und wis­sen­schaft­lichen Diskursen zur Dis­kus­si­on zu stellen. Zum anderen zielt unsere Ar­beit auf die Ent­wick­lung von Gestaltungshinweisen zur För­de­rung der Lern- und Anpassungsfähigkeit betrieblicher Akteure. Dies umfasst Aspekte der Qualifi­zierung ebenso wie Strukturen sowie Prozesse der Organisation und des Managements. Wir ent­wi­ckeln wis­sen­schaft­lich fundierte Handlungshilfen (Leitbilder, Leitfäden, Gestaltungskriterien, Instrumente), die eine Ver­bes­se­rung dieser Aspekte er­mög­li­chen und die Handlungsoptionen bzw. Entscheidungsspielräume der Be­schäf­tig­ten erweitern. Wir ver­fü­gen über ein sozialwissenschaftlich fundiertes Interventionsverständnis und Instrumentarium zur Unter­stüt­zung betrieblicher Lern- und Beteiligungsprozesse. Wichtiger Ansatzpunkt ist die Mobilisierung des Erfahrungswissens der Be­schäf­tig­ten durch die problemfokussierte Organisation von Selbstreflexionsprozessen und den Aufbau adäquater Kommunikations- und Kooperationsstrukturen.

 

Theoretisch-konzeptionelle Bezüge und Methodik

Theoretisch-konzeptionelle Grund­la­gen unserer Ar­beit finden sich u.a. im Kon­zept sozialer In­no­va­ti­on und in soziotechnischen bzw. soziodigitalen Bezügen. Damit folgen wir einer Betrachtungsweise, die die dy­na­misch­en Wechsel­wir­kungen zwischen technologischen und sozialen Innovationen ins Zen­trum der Aufmerksamkeit rückt. Demnach ge­ben neue Technologien Anstöße, be­ste­hen­de Praktiken und Strukturen zu verändern. Welche konkreten sozialen Wirkungen damit verbunden sind, wird nicht durch die Tech­nik festgelegt, sondern hängt von ihren konkreten Nutzungszusammenhängen ab.

Unser Forschungsbereich blickt auf eine langjährige industrie-, arbeits- und organisationssoziologische Geschichte zu­rück. Vor dem Hintergrund der genannten theoretisch-kon­zeptio­nellen Zugänge greifen wir auf quantitative und qualitative Me­tho­den der Sozial- und Arbeits­forschung sowie auf bewährte eigene Konzepte und Instrumente der Organisationsgestaltung bzw. -beratung zu­rück.

Wandel von Ar­beit und Organisation:

Di­gi­ta­li­sie­rung und Künst­liche In­tel­li­genz sind wich­ti­ge Treiber betrieblicher und ge­sell­schaft­li­cher Veränderung, jedoch eingebettet in wei­tere ‚Megatrends‘ und Entwicklungsverläufe. In dieser erweiterten Perspektive be­trach­ten wir aktuelle He­raus­for­de­run­gen für Be­schäf­tigte und Betriebe. In unseren For­schungs­pro­jek­ten wer­den z.B. Ansätze organisationaler Anpassungsfähigkeit ent­wickelt, die neben tech­nisch­en Faktoren soziale Aspekte und Kom­pe­ten­zen der Be­schäf­tig­ten auf den un­ter­schied­lichen Ebenen berücksichtigen. In anderen Vorhaben wer­den ge­mein­sam mit Pro­jekt­part­nern aus Wis­sen­schaft und Praxis neue Stra­te­gi­en ent­wickelt, bei denen tech­ni­sche Ent­wick­lungen mit be­triebs­wirt­schaft­li­chen und arbeitsbezogenen An­for­de­run­gen verknüpft wer­den. Weitere Arbeiten richten sich auf die The­men Reorganisation und Vernetzung, Arbeits­orga­ni­sa­tion, Qualifikations- und Kom­pe­tenz­ent­wick­lung oder den Wandel von geringqualifizierter Ar­beit und Facharbeit.

Leitfragen:

  • Welche aktuellen He­raus­for­de­run­gen ergeben sich für die Gestaltung von Ar­beit angesichts des wirt­schaft­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen Wandels?
  • Wie kann der Strukturwandel der Arbeitswelt sozialverträglich gestaltet, Akzeptanz von Veränderungsprozessen erhöht und Innovationsprozesse mit Gestaltungsprozessen verknüpft wer­den?

 

Mitbestimmung und Interessenvertretung

Die Mitbestimmung und Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen (Aufsichtsrat), im Betrieb (Betriebsrat) sowie betriebsübergreifend (Tarifautonomie) sind wichtige Bestandteile der deutschen Wirtschaftsordnung. Es gilt zu erforschen, wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die ihnen institutionell zur Verfügung stehenden Beteiligungsrechte nutzen und welche operativen wie institutionellen Entwicklungspotenziale nötig und umsetzbar sind. Wichtige Perspektiven sind die soziale Binnenstruktur und mikropolitisch fundierte Entscheidungsprozesse in Beteiligungsgremien wie dem Betriebsrat.
Der Wandel der Arbeitswelt, gegenwärtig vorwiegend unter den Überschriften „Digitalisierung“ und „sozial-ökologische Transformation“ thematisiert, muss im Sinne der gesundheitlichen und ökonomischen Bedürfnisse der Belegschaften gestaltet werden. Gewerkschaften, Betriebs- und Aufsichtsräte nehmen bei der Gestaltung des Wandels nicht nur eine Schutz- sondern auch eine Gestaltungsfunktion wahr. Unser Interesse gilt in diesem Zusammenhang der Rolle und den Potenzialen institutionalisierter Arbeitnehmerinteressenvertretungen bei der Invention und Diffusion sozialer Innovationen. Hierzu bedarf es einer analytischen Mehrebenenperspektive (betrieblich, regional, national, europäisch).

Leitfragen: 

  • Wie beteiligen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an unternehmenspolitischen Entscheidungen?
  • Wie kann Mitbestimmung im Hinblick auf Wirtschaftsdemokratie ausgebaut werden?
  • Welches Innovationspotenzial kann die institutionalisierte Arbeitnehmerbeteiligung auf welche Weise in die Gestaltung des Wandels der Arbeitswelt einbringen?

 

Partizipation und Empowerment:

Partizipation ist der Schlüsselfaktor zur Einlösung des Anspruchs, den Men­schen in den Mit­tel­punkt der Arbeitswelt zu rücken. Partizipation bedeutet, das Erfahrungswissen und die Ansprüche der Be­schäf­tig­ten substanziell in die Beschreibung, Bewertung und Veränderung ihrer Arbeitssituation (z.B. bei der Gestaltung oder Einführung neuer Technologien) einzubeziehen. Nach­hal­ti­ge Partizipationsansätze sind auf ein Empowerment der Be­schäf­tig­ten, d.h. auf eine weit­rei­chen­de Stär­kung ihrer Selbstorganisationsfähigkeit, Handlungsautonomie und Entscheidungsmacht nicht nur im Arbeitsvollzug, sondern gerade auch bei der Arbeitsgestaltung gerichtet. Wir interessieren uns dafür, wie das Zu­sam­men­wir­ken von Be­schäf­tig­ten, Betriebsräten, Management und Führungskräften gestaltet wer­den muss, wel­che Management- und Führungskonzepte er­for­der­lich sind, wel­che Infrastrukturen und Ressourcen benötigt wer­den, wie ein adäquates Wissensmanagement ent­wickelt wer­den kann oder wel­che Kom­pe­ten­zen in Partizipationsprozessen bedeutsam sind und wie sie aufgebaut wer­den kön­nen.

Leitfragen:

  • Wie kön­nen Betriebsräte un­ter­stützt wer­den, den di­gi­ta­len Transformationsprozess zu bewältigen?
  • Wie kön­nen partizipative Management- und Führungsansätze vor dem Hintergrund der Di­gi­ta­li­sie­rung weiterentwickelt wer­den? 

 

In­no­va­ti­on und Wissen:

Innovationsfähigkeit gilt gleichermaßen als Voraussetzung von Wettbewerbsfähigkeit und verbesserten Ar­beits­be­din­gungen. Wir folgen ei­nem Innovationsverständnis, welches soziale Dimensionen in den Vordergrund rückt und neue Technologien als gestaltungsabhängige „Enabler“ betrachtet. Unser In­te­res­se­ richtet sich darauf, wie organisationale Voraus­set­zun­gen, Kom­pe­ten­zen und Befugnisse der Be­schäf­tig­ten zu erweitern sind, damit sie zu Triebkräften von Verbesserungs- und Innovationsprozessen sowie neuen Geschäftsmodellen wer­den. Innovationsfähigkeit hängt zunehmend auch von der Nutzung unternehmensexterner Wissensquellen ab: Wir be­schäf­ti­gen uns sowohl mit unternehmensgetriebenen Formen des Einbezugs von Kund:innen und Nutzer:innen zum Zwecke der Produktentwicklung und -gestaltung als auch mit zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Versuchen, gesellschaftliche Bedarfe an die Un­ter­neh­men heranzutragen (Open In­no­va­ti­on und Co-Creation).

Auch die Zusammenarbeit der Institutionen der Arbeitnehmerinteressenvertretung, wie Gewerkschaften, Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräte, und der (Arbeits-) Wissenschaft ermöglicht die Entwicklung wichtiger arbeitspolitischer Innovationen. Wir tragen dazu bei, indem wir – ganz in der Tradition der ehemaligen Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt Dortmund – die Kooperation mit lokalen Gewerkschaftsgremien und betrieblichen Interessenvertretungsorganen durch Austausch und gemeinsame Projekte gestalten. Auf nationaler Ebene kooperieren wir mit den zahlreichen Kooperationsstellen in Deutschland.

 

Leitfragen:

  • Wie kann die Einbeziehung von Kom­pe­ten­zen der Be­schäf­tig­ten in Entscheidungs- und Problemlösungsprozessen ver­bessert wer­den?
  • Welche neuen Formen der In­te­gra­ti­on unternehmensexternen Wissens ent­wi­ckeln sich und wie ver­än­dert sich der Wertschöpfungsprozess dadurch?
  • Wie kann die Kooperation zwischen Wissenschaft und Arbeitswelt die Arbeitnehmerperspektive in betriebliche und gesellschaftliche Innovationsprozesse einbringen?

2018 wurde das For­schungs­ge­biet „In­dus­trie- und Arbeits­forschung“ (FIA) der ehemals Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fa­kul­tät der TU Dort­mund (unter Leitung von Prof. Hartmut Hirsch-Kreinsen) an der Sozial­forschungs­stelle im Forschungsbereich angesiedelt. Das For­schungs­ge­biet un­ter­sucht die Per­spek­tiven von neuer Industriearbeit im Kontext von Di­gi­ta­li­sie­rung und In­dus­trie 4.0 (www.neue-industriearbeit.de). In ver­schie­de­nen Projekten un­ter­su­chen wir u.a. die Einführung von Cyber-Physical Systems (CPS) in kleineren und mittleren Betrieben, den Ein­satz digitaler As­sis­tenz­sys­te­me oder ‚hybride‘ Formen der Mensch-Tech­nik-Interaktion in Pro­duk­tion und Logistik. Ein Schwer­punkt liegt auf der Be­deu­tung und Zukunft von „Einfach­arbeit“ (www.einfacharbeit.de), ohne den Wandel von Facharbeit und qua­li­fi­zier­ter Ar­beit in in­dus­tri­el­len Segmenten zu vernachlässigen. In unseren Studien konn­ten wir u.a. Pfadabhängigkeiten in der Implementierung neuer Technologien sowie unterschiedliche Entwicklungsszenarien der Di­gi­ta­li­sie­rung von Ar­beit nachzeichnen. Neben dem wis­sen­schaft­lichen Erkenntnisinteresse ist es ein wesentliches Ziel unserer Ar­beit, einen Bei­trag zur Versachlichung des öf­fent­lichen und wis­sen­schaft­lichen Diskurses um Di­gi­ta­li­sie­rung, In­dus­trie 4.0 und ih­re sozialen He­raus­for­de­run­gen zu leisten.

Leitfragen:       Wie ver­än­dert sich Industriearbeit im Zuge der Einführung digitaler Technologien in Pro­duk­tion und Logistik (In­dus­trie 4.0, Künst­liche In­tel­li­genz)?

                             Welche Funktionsweisen von di­gi­ta­len Technologien und Entwicklungspfade von Ar­beit lassen sich un­ter­schei­den?

Aufgrund des inter- und transdisziplinären Zugriffs vieler Verbundprojekte sind wir regional und bundesweit vernetzt mit sozialwissenschaftlichen Instituten und in­ge­nieur­wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­ein­richtungen (u.a. Fraunhofer IML; Fraunhofer IAO; FIR; RWTH Aachen; Ruhr-Uni­ver­si­tät Bochum), mit Stif­tun­gen und gewerkschaftlichen Ein­rich­tun­gen. Wir ver­fü­gen über vielfältige Kooperationsbezüge zu kleinen und mittelgroßen Un­ter­neh­men. Wir sind aktiv im Netz­werk Arbeits­forschung der sozialwissenschaftlichen For­schungs­in­s­ti­tute in NRW sowie in wei­te­ren arbeits- und industriesoziologischen Netzwerken. Als Mitinitiator des European Network of Workplace In­no­va­ti­on (EUWIN) setzen wir uns auf europäischer Ebene mit dem Kon­zept der Workplace In­no­va­ti­on als sozialer In­no­va­ti­on auseinander.

Koordination:

Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen:

Studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte:

Sekretariat: