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Fakultät Sozialwissenschaften

DepriBuddy - Design-Thinking-basierte Modellierung medialisierter Nähe und App-Entwicklung für ein Selbsthilfenetzwerk

01.05.2023 - 30.04.2026

Im Projekt DepriBuddy wird in einem interdisziplinären Verbund mit Perspektiven aus der Soziologie, der Psychologie und der Medienwissenschaft die mediengestützte Herstellung, der Erhalt und der Ausbau von sozialer Verbundenheit und Nähe anwendungsorientiert erforscht.

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Das Projekt DepriBuddy erforscht Möglichkeiten der Herstellung, des Erhalts und der Festigung von Nähe und Verbundenheit über gemeinsame virtuelle Freizeitgestaltung und Alltagsbewältigung in der Zielgruppe psychisch herausgeforderter Menschen. Der Projektverbund entwickelt dazu eine Softwarelösung, die bestmöglich auf Menschen mit Depressionsproblematik zugeschnitten ist, und erforscht deren Anwendung. Im Fokus steht damit eine Personengruppe, der die aktive soziale Beziehungspflege schwerfällt, und deren kommunikative Bedürfnisse von bestehenden sozialen Medien nicht hinreichend berücksichtigt werden. Von sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram profitieren eher Menschen, die ohnehin sozial aktiv sind, während sie für psychisch herausgeforderte Menschen und insbesondere solche mit depressiven Symptomen aus verschiedenen Gründen oftmals nicht zu einem stärkeren Eingebundenheitserleben und einer Verbesserung des psychischen Wohlbefindens führen, sondern im Gegenteil aufgrund der Aufmerksamkeitsökonomie belastende Stimmungen und Selbstverhältnisse negativ beeinflussen können.

DepriBuddy zielt darauf ab, Nähe-generierende Strategien und Eigenschaften verschiedener, sozial verbindender Medien – Social-Media-Netzwerke, Media-Sharing-Plattformen, ASMR-Videos, Virtual Walks, Multiplayer-Games und Selbsthilfe-Apps – in einer App miteinander zu kombinieren, um deren Schwachstellen in Bezug auf die Zielgruppe des Projektes in Stärken zu transformieren. So soll ein niedrigschwelliges Angebot mit hoher Nutzer*innenbindung geschaffen werden, das zur Vernetzung und Unterstützung insbesondere kleinerer Personengruppen mit besonderen sozialen Unterstützungsbedarfen geeignet ist.

Der mit den Schritten der App-Entwicklung, -Umsetzung und -Testung verzahnten wissenschaftlichen Erforschung und Modellierung medialisierter Affiliation liegt dabei ein vierstufiges Arbeitsmodell differenzierbarer, aufeinander aufbauender Interaktionsstufen zugrunde, von denen angenommen wird, dass sie ein graduell steigendes Verbundenheitserleben erzeugen können (vgl. Abb.).

Entsprechend der Abdeckung der unterschiedlichen Interaktionsgrade sollen die Funktionalitäten und Inhalte der App so entworfen und gestaltet werden, dass sie auf verschiedene Weisen Gefühle des sozialen Zusammenhalts und aktiver Unterstützung entstehen lassen: durch die Förderung des intersubjektiven Austauschs über die sinnlichen Qualitäten geteilter Medieninhalte, durch berührungslose Teletaktilitätsstrategien, durch die Synchronisation von Zeit- und Raumerleben, durch gemeinsame, virtuelle, multisensorische Erlebnisse und Mini-Games, kooperative Vorhaben und kreative Kunstprojekte.

Kooperationspartner:

  • Universität Greifswald, Institut für Psychologie
  • Rocket Apes GmbH

Auftragnehmer:

  • Akteur aus dem Bereich Selbsthilfe
  • Akteur aus dem Bereich Soziale Kunst

Assoziierte Partner:

  • Deutsche DepressionsLiga e. V.
  • Schatten & Licht e. V.
  • Der Paritätische NRW Selbsthilfe-Kontaktstelle Kreis Euskirchen
  • Mutmachleute e. V.
  • Anderes Burnout Café Düsseldorf/ Bundesverband Burnout und Depression e. V.
  • rehapro-Projekt GUIDE im JobCenter Unna
  • Gesellschaft für soziale Anerkennung e. V.
  • Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen in Essen e. V. (AGSBM)

Der Forschungsprozess fußt auf einer strukturierten Recherche von Studien zu Phänomenen mediengestützter Affiliationsprozesse und mediated intimacy, die zwei Zielen dient: Erstens wird eine Forschungslandkarte erstellt, die das Projekt verortet und die im Projektentwurf heuristisch hypothetisierten, vier Stufen medialisierter Nähe und Verbundenheit zu bestehenden Kategorisierungssystemen ins Verhältnis setzt. Zweitens werden Anregungen zur konkreten Gestaltung der App gesammelt und mit den Sichtweisen der Zielgruppe abgeglichen. Diese Erkenntnisse zu wirksamen Designästhetiken und Nutzungsmodalitäten einerseits und die technische Ent- und Weiterentwicklung der App andererseits werden nach der Methode des Design-Thinkings mit mehreren Rückkopplungsschleifen unter konsequenter Einbeziehung der Nutzenden in wechselseitiger Qualitätssicherung und Präzisierung miteinander verbunden (vgl. Abb.).

Der Einbezug der Zielgruppe verbessert die Passgenauigkeit der App und schafft gleichzeitig einen klar umgrenzten Gegenstands- und Phänomenbereich (das sozial-mediale Gefüge aus Zielgruppe und Interface), in dem ästhetische Medienanalyse mit soziologischer und psychologischer qualitativer und quantitativer Empirie verzahnt werden kann. Die daraus entstehenden Fragestellungen leiten die Anpassung der App an den Bedarf.

Die Evaluation der Wirksamkeit der App hinsichtlich wahrgenommener Nähe, Verbundenheit, Community-Building und Lebensqualität wird vom Lehrstuhl Gesundheit und Prävention der Universität Greifswald geleistet und geschieht psychologisch-empirisch mit einem Mixed Methods-Design, wobei aus Technologieakzeptanzperspektive Chancen und Risiken der späteren Nutzung identifiziert werden. Die Messgrößen orientieren sich an den im Projekt zu erarbeitenden Evaluationskriterien sowie am CIVIC-Modell zur Messung von sozialer Verbundenheit.

Das Projekt verfolgt das praktische Ziel der Entwicklung einer niedrigschwelligen und motivierenden App, mit der soziale Verbundenheit über eine breite Auswahl an zwischenmenschlichen Interaktionsmöglichkeiten hergestellt, gehalten und verfestigt werden kann – von einfachem diskursiven Austausch und dem Teilen von Medieninhalten über die Synchronisierung von Alltagsaufgaben bis hin zu tele- und kopräsenten Erlebnissen wie virtuellen Spaziergängen und Co-Creation-Events, die von Praktiker*innen aus dem Bereich der Sozialen Kunst moderiert werden. Die Diversität und Interaktivität der Angebote, sowie bestimmte involvierende Elemente wie Push-Nachrichten mit Erinnerungen und Einladungen, Gamifizierungsstrategien, aber auch das Erzeugen interpersonaler Verbindlichkeiten (Matching- und Buddy-System) sollen dabei eine langfristige Nutzer*innenbindung fördern.

Damit einher gehen die wissenschaftlichen Ziele, die Funktionsweisen mediengestützter Verbundenheit hinsichtlich der benötigten medialen Designästhetiken, Nutzungsmodalitäten und psychophysischen Wirkpotenziale umfassend verstehbar, modellhaft darstellbar und übertragbar zu machen, zu dem Wissens- und Forschungsstand hinsichtlich medialisierter Affiliationsprozesse der beteiligten Disziplinen ins Verhältnis zu setzen sowie Hypothesen, die in ein bei Projektentwurf formuliertes, vierstufiges Arbeitsmodell medialisierter Nähe und Verbundenheit eingegangen sind, zu überprüfen.

Die sfs zielt hier insbesondere auch darauf ab, durch qualitative Tiefenexploration der Nähebedürfnisse der Zielgruppe in verschiedenen Alltagssituationen und ihrer Gratifikationserwartungen ein detailliertes Verständnis der Nutzungssituationen, Bedarfe, Potenziale und Widerstände bei der technischen Unterstützung sozialer Interaktionen zu gewinnen und für andere Anwendungskontexte zu erschließen.