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Fakultät Sozialwissenschaften

Prävention Kreativ! - Komplementäre sozialkünstlerische und seelisch-orientierte gesundheitsfördernde Gruppeninteraktionen zur Sucht- und Gewaltprävention in der stationären Pflege

01.07.2022 - 31.12.2025

Im Projekt Prävention Kreativ! werden innovative gesundheitsfördernde Angebote und Maßnahmen entwickelt, die in einem umfassenden Ansatz die Resilienz der Bewohner:innen in der stationären Pflege stärken und damit zur bewohnerzentrierten Prävention von Gewalt- und Suchtproblematiken beitragen.

Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek)

Die Situation in deutschen Pflegeheimen ist nicht erst seit der Corona-Pandemie mit vielfältigen Herausforderungen verbunden. Etliche Bewohner:innen stationärer Pflegeeinrichtungen leiden unter sozialer Isolation, Einsamkeit, dem Mangel an sinnstiftender Beschäftigung, Bewegungsmangel und fehlender kognitiver Aktivierung. Darauf verweist auch der GKV-Leitfaden zur Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen. Die enge Taktung der Pflegeaufgaben in Verbindung mit anhaltenden Personalengpässen führt beispielsweise dazu, dass den Pflegenden immer weniger Zeit für präventive Maßnahmen jenseits körperlicher Pflege bleibt. Sucht- und Gewaltproblematiken bei Bewohner:innen können mit dieser Situation eng verwoben sein.

Gewalt- und Suchtproblematiken in Pflegeeinrichtungen sind oft Manifestationen multifaktorieller struktureller Probleme wie Zeit- und Personalmangel, hoher emotionaler Belastungen auf Beschäftigten- und Bewohner:innenseite sowie der Herausforderung, Resilienzen bei gleichzeitig tendenziell abnehmenden Ressourcen aufrechtzuerhalten. Zudem kann sich nicht gelingende oder fehlende Kommunikation negativ auf den Gesundheitszustand von Bewohnenden auswirken (Weissenberger-Leduc & Weiberg 2012, Breinbauer et al. 2019).

Um jene vielschichtigen Problemlagen adäquat zu bearbeiten, bedarf es eines innovativen multidimensionalen Ansatzes zur Prävention und Gesundheitsförderung. Sowohl für Sucht- als auch für Gewaltprävention liegen bislang zu wenig belastbare Erkenntnisse über die Wirksamkeit entsprechender Maßnahmen für Bewohner:innen in Pflegeeinrichtungenvor und es fehlt an Empfehlungen für entsprechende Präventionsangebote. Das vorliegende Projekt zielt daher auf die Erarbeitung wirksamer Maßnahmen zur Sucht- und Gewaltprävention sowie auf die Förderung von Gesundheitspotenzialen von beeinträchtigten, multimorbiden und pflegebedürftigen Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen gemäß GKV-Leitfaden Prävention nach § 5 SGB XI ab. Prävention Kreativ! adressiert deshalb explizit Gesundheitsförderung und Prävention in den Bereichen Gewalt und Sucht in der stationären Pflege und erarbeitet Empfehlungen für entsprechende Präventionsangebote.

Im Fokus des Bereichs Gewalt steht dabei in erster Linie Gewalt von Bewohner:innen gegenüber anderen Bewohner:innen sowie gegenüber Pflegekräften. Gewalt gegenüber pflegebedürftigen Menschen durch Pflegepersonal wird v. a. aus dem Blickwinkel betrachtet, wie sich Bewohner:innen präventiv davor schützen können.

Die partizipativ entwickelten Ergebnisse des Projektes sollen schließlich durch eine möglichst hohe Übertragbarkeit zu einer Reduktion von Gewalt- und Suchtproblematiken auch in anderen stationären Einrichtungen beitragen können. Dazu ist die Ausbildung von Multiplikator:innen ebenfalls Bestandteil des Projektes, um das erarbeitete Wissen zur Gesundheitsförderung und Prävention nachhaltig zu sichern.

  • Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V. / Institut für Gerontologie an der TU Dortmund
  • Projektfabrik Witten gGmbH
  • Universität Siegen, Institut für Psychologie und Psychotherapeutische Hochschulambulanz
  • Caritasverband der Stadt Gelsenkirchen, Haus St. Anna
  • Diakonie in Dortmund und Lünen, Ev. Altenzentrum Lünen
  • AWO Niederrhein, Seniorenzentrum Helmuth-Kuhlen-Haus
  • SZB Wassenberg Altenpflegeheim GmbH
  • Pflegeeinrichtung Barbara Lenders, Haus Helene, Mönchengladbach (assoziiert)

Das Projekt hat gemäß GKV-Leitfaden zur Prävention und Gesundheitsförderung in stationären Pflegeeinrichtungen nach §5 SGB XI das Ziel, einen umfassenden und nachhaltigen Beitrag zur Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung im Bereich Sucht und Gewalt bei Pflegebedürftigen in stationären Pflegeeinrichtungen zu leisten. Im Mittelpunkt der zu entwickelnden Maßnahmen stehen die Bewohner:innen selbst, welche durch gesundheitsfördernde und präventive Gruppenangebote gezielt unterstützt werden sollen. Durch den gleichzeitigen Aufbau von Resilienz und Schutzmechanismen vor Selbst- und Fremdgefährdungen sollen Gewalt- und Suchtproblematiken in den Einrichtungen reduziert und vorgebeugt werden. Durch die Erkenntnisse des Projekts sollen sich auch die Strukturen in den beteiligten Einrichtungen gesundheitsfördernd weiterentwickeln, indem z. B. im Sinne der Verhältnisprävention Prozesse neugestaltet oder optimiert werden. Perspektivisch sollen dadurch indirekt auch die Mitarbeitenden entlastet werden.

Im Rahmen der Verhältnisprävention werden im Projekt Multiplikator:innen ausgebildet. Multiplikator:innen sollen die entwickelten theatergeragogischen und seelisch orientierten präventiven Ansätze und Konzepte im Rahmen des im Projektes entwickelten Multiplikatorenkonzeptes nachhaltig verstetigen, aber auch Interessierten zur Verfügung stellen können. Als Multiplikator:innen stehen die folgenden Gruppen im Fokus: Leitungskräfte der Partnereinrichtungen, Pflege- und Betreuungskräfte, Akteur:innen aus Qualitätsmanagement und Interessenvertretungen, Betreuer:innen und Heimbeirät:innen sowie externe interessierte Akteur:innen aus dem Bereich Gewalt- und Suchtprävention.

Für die Verstetigung der Maßnahmen im Arbeitsalltag werden Transfermaterialien wie Leitfäden und Checklisten oder Curricula für Kurzschulungen für Fachkräfte entwickelt, in denen nachhaltig Grundlagen erfolgreich evaluierter Projektmaßnahmen vermittelt werden können.

Gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmen werden im Projekt Prävention Kreativ als ineinandergreifende Formen von sozialkünstlerischen/geragogisch und seelisch-orientierten Gruppenangeboten umgesetzt. Zum Beispiel sollen dazu in den von Psycholog:innen der Uni Siegen durchgeführten seelisch-orientierten Gruppensitzungen bestimmte biografische Themen angesprochen werden, die parallel in sozialkünstlerischen/geragogisch-präventiven Sitzungen von der Projektfabrik Witten bearbeitet werden. So können sich die beiden Stränge - soziale Kunst und Motivierende Gesprächsführung - im Aufbau von Resilienz und Abbau von gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen gegenseitig ergänzen.

Die Veränderung von Verhaltensweisen liegt stets in der Kombination von Wissen, Wollen und Können. Die ineinandergreifende Wirksamkeit der im Projekt entwickelten Maßnahmen zur Prävention von Sucht und Gewalt entfalten diese durch ihre jeweilige Ausrichtung: Einerseits wird die Basis durch die sozialkünstlerische/geragogisch-präventive Arbeit gelegt. Diese gibt den Bewohner:innen den Glauben bzw. die intrinsische Motivation an eigene Fähigkeiten zurück und fördert Veränderungsbereitschaft, Selbsterkenntnis sowie Bewusstsein für die eigene Gesundheit. Die sozialkünstlerische/geragogisch-präventive Arbeit trägt damit zu einem Empowerment auf der Ebene des Wollens bei, ohne die keine Veränderung möglich wäre. Andererseits wird auf der inhaltlichen Ebene gleichzeitig Wissen zu Sucht- und Gewaltproblematiken vermittelt und gefördert. Hier setzen die seelisch-orientierten Gruppenangebote an, die durch die Technik des Motivational Interviewing die Bewohner:innen mit Wissen und Motivation versorgen und zum gesundheitlichen Tun befähigen.

Die Maßnahmen in den Partnereinrichtungen finden nach einer umfassenden Analyse der Voraussetzungen und Ressourcen auf personeller, individueller und institutioneller Ebene in zwei Wellen in einem Zeitraum von je fünf Monaten statt, begleitet von einem wissenschaftlichen Monitoring und einer formativen Evaluation.

Dabei wird stets einfühlsam darauf geachtet, die Bewohner:innen sowohl kognitiv als auch körperlich nicht zu überfordern. Ihre unterschiedliche Leistungsfähigkeit wird individuell und situativ berücksichtigt, z. B. durch die variable Anpassung der Länge der Einheiten an die Möglichkeiten der Bewohner*innen.