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Department of Social Sciences
Neue Ausgabe der Beiträge aus der Forschung

Humanisierungs- und Demokratisierungsperspektiven von Industry 5.0

Cover Beiträge aus der Forschung Band 221 © sfs
Seit Anfang 2021 lanciert die EU das Konzept einer Industry 5.0 um Unternehmen stärker auf Beiträge zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zu verpflichten und gleichzeitig die Digitalisierung maximal auf eine Verbesserung der Arbeits- und Qualifizierungsbedingungen auszurichten. Während sich ein Großteil der aktuellen Debatte zu Industry 5.0 um Letzteres dreht, sind die wirtschaftsdemokratischen Implikationen einer stärkeren Koppelung von Unternehmen an gesellschaftliche Bedarfe bisher kaum erörtert worden. In dieser Ausgabe der Beiträge aus der Forschung wollen Dr. Ralf Kopp und Antonius Schröder dementsprechende innovationsstrategische Impulse des Industy 5.0 -Konzeptes aufgreifen und weitergehende Perspektiven entwickeln.

Anknüpfend an dem deutschen Konzept der Industrie 4.0 treibt die Europäische Union (EU) unter besonderer Akzentuierung der Aspekte Humanzentrierung, Nachhaltigkeit und Resilienz dessen Weiterentwicklung voran. Unter dem Label Industry 5.0 sollen sich Unternehmen vom Primat der Profitmaximierung lösen und zuvörderst Problemlösungen für große gesellschaftliche, insbesondere sozialökologischen Herausforderungen entwickeln. Diese Vision überschreitet deutlich die Transformationsbreite und -tiefe sowie die sozial-innovativen Dimensionen von Industrie 4.0.

Die Ambition der EU erfordert größere Einflussmöglichkeiten von Beschäftigten und regionalen, vor allem zivilgesellschaftlichen Akteuren auf strategische Unternehmensentscheidungen und -entwicklungen. Zur Neujustierung von Unternehmen als Lieferanten für gesellschaftliche Problemlösungen erscheint die betriebliche Orientierung an verhältnismäßig abstrakten EU-Zielvorgaben (bspw. entlang von Umweltkennzahlen) zwar hilfreich aber unzulänglich.

Industry 5.0 erfordert eine regionalpolitische Mitsteuerung von Unternehmen auf Grundlage von dauerhaft zu etablierenden Aushandlungsprozessen zwischen Vertreter:innen aus Unternehmen und regionalpolitisch relevanten Institutionen. Die bisher überwiegend wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Industry 5.0 fokussiert auf innerbetriebliche Gestaltungsmöglichkeiten digitaler Produktion zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen (Technikgestaltung, Arbeitsorganisation, Kompetenzentwicklung). In diesem Beitrag wird argumentiert, dass dementsprechende Weiterentwicklungen sowohl wünschenswert als auch notwendig sind, sich jedoch weitgehend im Rahmen bereits von Industrie 4.0 erreichter Standards bewegen. Die hierüber hinausgehenden, größeren innovativen Impulse von Industry 5.0 haben demgegenüber kaum Resonanz gefunden. Deshalb tragen wir im Folgenden konzeptionelle Bezugspunkte aus Industry 5.0 für eine veränderte Suchrichtung zusammen und skizzieren bisher leider noch unzulänglich entwickelte Verfahren und Instrumente zur demokratischen Öffnung von Unternehmen (z.B. Transferräte und -netzwerke). Wir wollen damit die Leistungen zur Unterfütterung des Konzeptes einer Industry 5.0 nicht schmälern, sondern plädieren für eine stärkere komplementäre Vertiefung wirtschaftsdemokratischer Implikationen, um in letzter Konsequenz Industry 5.0 als multidimensionales Innovations-Ökosystem entfalten zu können.

Hier die digitale Ausgabe.